Zukunftsprozess ekhn2030
Herausforderungen durch weniger Pfarrerinnen, Pfarrer und Mitglieder
Von Thomas Milkowitsch (November 2021)
Am 1. September hat unsere sechsjährige Amtszeit als wiedergewählte oder neue Kirchenvorstände begonnen. Wir haben unsere Arbeit mit Freude und Mut aufgenommen und stellen uns diesen spannenden Herausforderungen.
Eine besondere Herausforderung ist die Zukunft unserer Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Eine Studie prognostiziert, dass mit einem deutlichen Mitgliederrückgang zu rechnen ist: Bis 2030 rund 1,2 Millionen Mitglieder gegenüber 1,5 Millionen heute, bis 2060 eine Halbierung der Mitgliederzahlen. Wichtigste Ursache ist neben der demographischen Entwicklung das Aus- und Eintrittsverhalten, insbesondere von Mitgliedern im Alter von 20 bis 35 Jahren. Eine Phase, in der viele ins Erwerbsleben eintreten und erstmals Kirchensteuer zahlen, aber kirchliche Angebote selten in Anspruch nehmen.
Doch welche Lösungen hat die EKHN für diesen nachhaltigen Transformationsprozess? Im Herbst 2019 hat die Synode der EKHN die Debatte über einen neuen Zukunftsprozess eröffnet. Er soll die evangelische Kirche über das Jahr 2030 hinausführen. Das Projekt mit dem Namen „ekhn2030“ soll dabei die künftige gesellschaftliche Situation ebenso wie die Mitgliederentwicklung und deren Folgen in den Blick nehmen.
Infoveranstaltung mit KP Jung
Am 3.11.2021 fand die dritte Online-Veranstaltung zu ekhn2030 mit Kirchenpräsident Dr. Volker Jung statt. Mehr als 450 Vertreterinnen und Vertreter aus den Kirchengemeinden nahmen teil. Es entstand eine lebhafte Diskussion um die Fragen: Einsparprozess oder Kirchenentwicklung, Kommunikation des Evangeliums, Mitgliedergewinnung, Gemeinwesenorientierung und Regionalentwicklung. Die Vortragenden machten deutlich, dass nach sorgfältiger Kalkulation Möglichkeiten gesucht werden müssen, die jährlichen Ausgaben von rund 700 Millionen Euro um 140 Millionen Euro im Jahr 2030 zu reduzieren.
Wir werden ca. 1/3 weniger Pfarrerinnen und Pfarrer haben, wir stehen vor einer hohen Baulastunterhaltung für unsere Kirchen und Gemeindehäuser.
Ein wichtiges Vorhaben ist es, die Kommunikation in der Jungend- und Familienarbeit besser anzupassen. Der Alltag junger Menschen sei „hybrid“ zwischen digitaler und analoger Begegnung, bei der mobile Kommunikation überall und jederzeit selbstverständlich sei. Konkrete Handlungsempfehlungen und Perspektiven sollen der Synode im November 2021 vorgelegt werden.
Neue Nachbarschaftsräume
Ebenfalls finde ich es unterstützenswert, unsere Verwaltung konsequent zu digitalisieren. Verwaltungsstrukturen und -prozesse müssen „neu gedacht“ werden mit dem Ziel einer effizienteren Verwaltung, um Pfarrerinnen und Pfarrer und Mitarbeitende in den Gemeindebüros zu entlasten und mehr Zeit für die Arbeit mit und für die Gemeindemitglieder zu haben.
Für die regionale Zusammenarbeit und Vernetzung wird vorgeschlagen, dass sich die Gemeinden eines Dekanats zukünftig zu Nachbarschaftsräumen mit einem Verkündigungsteam aus mehreren Hauptamtlichen (Pfarrerinnen und Pfarrern, Gemeindepädagoginnen und -pädagogen und/oder Kirchenmusikerinnen und -musikern) zusammenschließen, wobei auch die Gemeinwesenarbeit bedacht wird. Ein regionales Konzept für die gemeinsame Nutzung von Gebäuden müsste den Überhang an Versammlungsflächen, die langfristig kaum zu unterhalten sind, reduzieren.
Das sind spannende Vorschläge für die Behandlung von Symptomen. Klar ist, wir müssen sparen, und ein intelligentes, effizientes und ökologisches Baumanagement ist erforderlich. Wir müssen mit den Folgen des Rückgangs von Pfarrerinnen, Pfarrern und Mitgliedern klarkommen. Jedoch was sind die Ideen und die Vorschläge gegen das Austrittsverhalten? Was tun wir gegen den erwarteten Mangel an Hauptamtlichen? Wie wird der Pfarrberuf als Berufung, die mit Leidenschaft für die Kommunikation des Evangeliums ausgestaltet ist, und die EKHN als attraktive Arbeitgeberin fit für die Zukunft gemacht? Kirche muss handlungsfähig sein und die Kirchengemeinden müssen ihre gemeinwesen- und mitgliederorientierte Ausrichtung stärken. Das geht nur, wenn die Pfarrerinnen und Pfarrer und die Mitarbeitenden vor Ort sind, ansprechbar sind und sich Zeit nehmen können. So kann Kirche als starker Teil und Partner der Zivilgesellschaft in all ihren vielfältigen Formen wahrgenommen werden.
Aus dem Auferstehungs-Mosaik 4/2021